Die US-Wirtschaft sollte nach so vielen Zinserhöhungen nicht so stark oder vorerst gar nicht wachsen. Doch allen Widrigkeiten zum Trotz legte die Konjunktur im zurückliegenden Quartal mit einer Jahresrate von fast fünf Prozent zu. Das ist mehr als das Doppelte der Wachstumsrate, was das US-Handelsministerium im letzten Quartal verzeichnete.

Plan der Fed geht noch nicht auf

Um die Inflation zu bekämpfen, die im Juni 2022 mit 9,1 Prozent ein 40-Jahres-Hoch erreichte, erhöhte die Federal Reserve die Zinssätze innerhalb von 10 Monaten zügig auf den höchsten Stand seit 22 Jahren. Indem die Währungshüter die Kreditaufnahme für Unternehmen und Verbraucher verteuerten, sollten die Menschen dazu gebracht werden, ihre Ausgaben zu kürzen. Eine Zeit lang befürchteten viele Ökonomen, dass die Zinserhöhungen der Fed zu schnell und zu stark ansteigen würden, um eine Rezession auszulösen.

„Es ist bis zu einem gewissen Grad etwas mysteriös“, sagte David Beckworth, leitender Forschungsmitarbeiter am Mercatus Center der George Mason University. „Angesichts der Geschwindigkeit der Zinserhöhungen habe ich erwartet, dass der Wirtschaft inzwischen noch mehr Schaden zugefügt wird.“

Aus folgenden Gründen blieb die Wirtschaft weiterhin hinter den negativen Erwartungen zurück:

  • Viele Verbraucher haben sich günstige Kredite in der langen Phase niedriger Zinsen gesichert. Solange deren Zinsbindungsphasen nicht ausgelaufen sind, kommt es zu keinen teuren Anschlussfinanzierungen.
  • Ein weiterer Grund dafür ist, dass es den Menschen finanziell insgesamt noch recht gut geht. Obwohl die Arbeitslosenquote in den letzten Monaten leicht gestiegen ist, liegt sie nahe am tiefsten Stand seit einem halben Jahrhundert. Und die Jobs, welche die Menschen haben, werden im Vergleich zu vor der Pandemie viel besser bezahlt.
  • Laut den Daten des Arbeitsministeriums für das zweite Quartal, werden Arbeitnehmer produktiver. Das trägt zum Wirtschaftswachstum bei.
  • Die Tatsache, dass die Wirtschaft angesichts so vieler Zinserhöhungen weiterhin stark wächst, könnte ein Zeichen dafür sein, dass die Fed nicht genug getan hat. Was bedeuten würde, ohne weitere Zinserhöhungen könnte das Risiko einer noch stärkeren Beschleunigung der Inflation zunehmen. Aber auf der anderen Seite gibt es auch Argumente dafür, die Zeit abwarten zu lassen, ob die Fed mehr tun muss.

Oder ist es einfach zu schön, um wahr zu sein? Revisionen können die Aussage des BIP-Berichts über die Wirtschaftslage noch erheblich verändern. Beispielsweise berichtete das Handelsministerium zunächst, dass sich das Wirtschaftswachstum im ersten Quartal 2023 auf eine jährliche Hochrechnung von 1,1 Prozent verlangsamte. Allerdings wurde die Zahl später um bis zu zwei Prozent nach oben korrigiert. Die BIP-Zahlen für das dritte Quartal könnten ebenso nach unten korrigiert werden.